Die Covid-19 Pandemie hat wohl die meisten Unternehmen ins Mark getroffen. Auch wenn die Pandemie aufgrund der bereits in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen nichts grundsätzlich Neues darstellt, möchten wir uns der Frage widmen, wie die Planung zukünftig ausgestaltet werden sollte.
Mehrmals haben wir gehört, dass eine Planung aufgrund der durch Covid-19 ausgelösten inhärenten Unsicherheiten nicht möglich sei. Eine Planung setze einen eingeschwungenen Zustand voraus. Dieser sei zurzeit nicht gegeben. Nun, dem möchten wir folgende Gegenfrage entgegensetzen: "Welche Planung ist denn überhaupt noch nötig in Zeiten eingeschwungener Zustände?".
Eine Planung ist die Durchdringung möglicher zukünftiger Zustände auf Basis heute verfügbarer Informationen. Die Annahmen der Planung können in der Zukunft eintreffen oder nicht. Unternehmen, welche es verstehen auf Basis der Informationen die richtigen Schlüsse zu ziehen, haben prinzipiell einen Wissensvorsprung. Die Planung anerkennt, dass die Zukunft nicht vorhergesagt werden kann, mögliche - vom aktuellen Zustand abweichende - Zustände aber durchspielt und als Leitplanken für die Steuerung zu verankern sind.
Umgekehrt bedeutet es nach unserem Verständnis, dass bei eingeschwungenen Zuständen eine Planung wertlos ist. In diesem Fall ist es rationaler auf den letztjährigen Abschluss oder auf einen Durchschnitt der tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahre zurückzugreifen.
Wird die Planung hingegen als mögliche Abweichung vom eingeschwungenen Zustand verstanden, sind zukünftige Pandemie Szenarien und andere Krisenartefakte (wie etwa ein Ausfall der IT etc.) genauso wie mögliche Chancen ins Zahlenwerk zu integrieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die quantitative Planung eine Sichtbarmachung der möglichen Zustände durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung erfordert. Das gilt für mögliche Szenarien als auch für die Ausprägung derselben. Die darauf aufsetzende Monte-Carlo Simulation zeigt dann die Bandbreite möglicher Realisationen auf, anhand derer erwartungstreue Planwerte abgeleitet und notwendige Massnahmen zur Sicherstellung des Unternehmen eingeleitet werden müssen. Dabei gewinnen Begriffe wie Value@Risk oder Performancemessung überhaupt erst an Bedeutung.
Auch hier möchten wir dies anhand eines einfachen Beispiel der Umsatzplanung aufzeigen. Hierbei unterstellen wir, dass das Unternehmen zwei Szenarien* (Pandemie, Wettbewerb [courant normal]) als wesentlich identifiziert und mögliche Mitigationen (etwa Risk-Sharing Modelle, siehe auch diesen Blogbeitrag) geprüft hat. Als Residualgrösse verbleibt folgende mögliche unsichere Nachfrage (siehe Bild).
Das Szenario "Pandemie" fliesst mit der angenommenen 1.5% Eintrittswahrscheinlichkeit, das wahrscheinlichere Wettbewerbsszenario mit 98.5% Anteil in die Mittelwertbetrachtung ein. Nach der Simulation resultiert ein Erwartungswert des Umsatzes von ca. 1'153'000 CHF. Dieser Wert lässt sich naturgemäss auch mittels einer deterministischen Berechnung herleiten. Etwas schwieriger oder gar unmöglich wird es jedoch ohne Simulation eine Aussage darüber zu treffen, wie hoch der Umsatz in x% der Ergebnisse zu liegen kommt, womit wir beim Value@Risk (VaR) sind. Der VaR entspricht der Schranke, anhand welcher x% der aufsteigend sortierten Ergebnisse links und folglich 1-x% der Ergebnisse rechts davon zu liegen kommen. Eine Planung gilt als robust und resilient, wenn das Unternehmen auch bei Eintreffen eines schwerwiegenden Ereignisses (etwa mit 1% Wahrscheinlichkeit) über genügend Mittel verfügt, um die Überlebensfähigkeit sicherstellen zu können. Banken etwa müssen einen solchen Nachweis regelmässig erbringen.
Wir nehmen an, dass der VaR bei 1% vom Management festgelegt wurde. Mit der Festlegung des VaR auf 1% ist somit die Aussage verbunden, dass langfristig bei wiederholten Nachspielen des Planszenarios in 1 von 100 Fällen der VaR unterschritten wird.
Der VaR liegt in unserem Modell bei ca. 247'000 CHF; sprich es gibt eine 1% Wahrscheinlichkeit, dass der Umsatz unter 247'000 CHF zu liegen kommt. Falls dieser Umsatz nicht ausreichen sollte, um die Kosten zu decken, müsste in "guten" Zeiten ein Puffer vorgehalten werden. Die Grösse des Puffers orientiert sich wiederum am Expected Shortfall, also der durchschnittlichen Grösse aller Werte, welche links von der 1% Schranke zu liegen kommen.
Eine interessante und auch durch eine Simulation nicht zu beantwortende Frage ist, welcher VaR für ein konkretes Unternehmen anzusetzen ist. Ein VaR von 5% würde auf lange Sicht (im Sinne der frequentistischen Auffassung der Statistik) zu einer potentiell kritischen Lage alle 20 Jahre führen.
Nun, die bisherigen Ausführungen fokussierten allein auf die Planung aus einer ex-ante Sicht. Im Laufe eines Jahres oder gegen des Jahres fällt der Schleier der Ungewissheit und das Unternehmen weiss nun, ob das Extremszenario eingetroffen ist oder nicht. Daran knüpft sich dann sehr oft die Frage der Erfolgsbeteiligung an. Hierbei ist aus unserer Sicht (nach Abzug des Puffers für die "schlechten" Zeiten) wiederum nur das relevante Szenario als Bemessungsgrundlage - und nicht der Erwartungswert aus der Planung - heranzuziehen.
Gehen wir davon aus, dass der Wettbewerbsfall eingetroffen ist. Hierbei betragt der erwartete Umsatz (ex-ante) ca. 1'167'000 CHF. Die Performance und damit eine etwaige Beteiligung sollte sich aber nicht am "Durchschnitt" orientieren (vor allem dann nicht, wenn - und diesmal bewusst so ausgedrückt - in der Vergangenheit der eingeschwungene Zustand bereits mehrmals in der Nähe des Durchschnitts lag), sondern an einer Grösse, die ambitioniert aber erreichbar ist. Auch hier können Simulationen eine Antwort liefern. So liegt der Median (50%) mit ca. 1'172'000 CHF leicht über dem Durchschnitt; eine Ambition von 1'300'000 CHF wäre hingegen nur in 5% der Fälle erreichbar. Werte zwischen dem Median und dem 95% Sicherheitsniveau wären somit für eine Ambition realistischer.
Fazit: Auch in stürmischen Zeiten sind Simulationen eine hilfreiche (und durchaus auch notwendige) Orientierungshilfe. Nutzen Sie diese und gestalten Sie somit die Planungszukunft.
*Wir verwenden hier den Begriff des Szenarios allgemeiner. Sollen zwei strikt getrennte Zustände betrachtet werden, wäre der Begriff der "Variante" sinnvoller. In Wirklichkeit gibt es oftmals eine Vermischung von Varianten, eine strikte Trennung ist nur sehr möglich. Das ist auch bei der Covid-19 Pandemie der Fall: ein global agierendes Unternehmen wird in einigen Ländern wenig bis gar nicht von der Pandemie (zumindest zeitweise) betroffen sein.
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