Auch wenn wir bei MC FLO den Fokus auf Excel als Modellierungswerkzeug legen, lohnt sich der Blick auf andere Instrumente, welche sowohl vom Modellkonzept als auch in Bezug auf die Simulation andere Wege einschlagen. Wie Analytica von Lumina.
Um es vorweg zu sagen: Analytica ist ein hervorragendes Tool zur Modellierung und Darstellung - wenn Sie sich vom vertrauten Konzept der Excellandschaft verabschieden können und auch wollen.
Fangen wir mit den wesentlichen Unterschieden an: Excel greift auf das Zellenkonzept zurück. Jede Zelle ist prinzipiell Platzhalter für alles Mögliche: Zahlen, Kommentare, Formatierungen und dies in verschiedenen Kombinationen (ein Zelle kann sowohl eine Zahl, eine Formatierung und ein Kommentar enthalten). Berechnungen werden über Zellverweise vorgenommen. In Analytica besteht das Grundfundament aus "Knoten"; welche als Variablen, Konstanten, Indexe oder auch als Zielfunktion vorliegen. Das Modell entsteht durch Verknüpfung der Knoten, welche mit Rechenvorschriften hinterlegt sind. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Knoten erscheinen dann als Pfeil.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Stellen wir uns vor, dass wir den Benzinpreis der Jahre 2021 bis 2026 auf Basis des Preises von 2020 in Höhe von CHF 1.60 pro Liter und einer Preisänderungsrate schätzen müssen, wobei die Preisänderungsrate als gleichverteilt zwischen 0.95 und 1.1 aufgefasst wird. Die Preisänderungsrate ist somit unsicher und kann zwischen -5% und +10% schwanken.
In Analytica definieren wir als erstes einen speziellen Indexknoten "Time", welchen wir mit den Jahren 2020 bis 2026 bestücken; dabei greifen wir einfach auf den Ausdruck "2020..2026" zurück. Als nächstes modellieren wir die unsichere Variable Preisentwicklung ("Delta p" ausgewählt über "Chance node"), wobei wir die Gleichverteilung zwischen 0.95 und 1.1 hinterlegen. Das Ergebnis dessen lässt sich sofort mittels Klick auf das entsprechende Symbol einsehen. Wir schliessen den Modellierungsvorgang mit der Definition der Variable "Preis Benzin" ab (Analytica geht hier ähnlich wie der Namensmanager von Excel vor: Jede Variable wird eindeutig mit einem Namen versehen, dieser darf aber keine Leerzeichen enthalten. Daher wird die Variable "Preis Benzin" als "Preis_Benzin" abgelegt und entsprechend aufgerufen. Dito gilt in Bezug auf das "Delta p"). Der Benzinpreis des Jahres x ergibt sich dabei aus dem Preis aus dem Jahr x-1 multipliziert mit der Preisänderungsrate "delta_p", was über die Funktion "Dynamic" sichergestellt wird. Als Ergebnis können sowohl numerische Werte (wie etwa Mittel-/ Medianwerte, Perzentile) oder entsprechende Graphiken (wie hier die "Probability Bands") ausgegeben werden.
Sowohl bei Excel als auch bei Analytica gilt: Das Modell entsteht im Kopf des Menschen. Mit dem Beizug einer einzigen unsicheren Variable für alle Jahre unterstellen wir, dass die Preisänderungsrate - einmal durch die Simulation festgelegt - für alle Jahre gleich ist. Dies ist aber unrealistisch. Vielmehr dürfte es sein, dass die Preisänderungsrate jedes Jahr zwischen -5 und +10% variiert, Unabhängigkeit vorausgesetzt. Hier kommt nun die grosse Flexibilität von Analytica zum Tragen: wir definieren die "Delta p" Variable so um, dass nun "Time" Anzahl von gleichverteilten Objekte einfliessen ("Uniform( 0.95, 1.1,, Time)"). Gedacht, getan.
So sehen wir, dass mit 95%-iger Sicherheit der Benzinpreis in 2026 den Wert von CHF 2.192 pro Liter nicht übersteigen wird. Beide oben beschriebene Modelle (Preisänderungsrate für alle Jahre gleich und für jedes Jahr eine eigene Preisänderungsrate mit den Schranken -5% bis +10%) haben wir mit Excel und MC FLO nachgestellt, wobei wir zur Reduktion der Eingaben auf das Tabellenkonstrukt von Excel zurückgegriffen haben. Dieses erlaubt wie in Analytica die einmalige Definition der Formel, ohne dass diese durch "Ziehen" auf weitere Zellen übertragen werden muss. Auch hier liegt das Ergebnis bei 95% Sicherheit (unter der Annahme, dass jedes Jahr die Preisänderung unsicher und unabhängig von den Vorjahren ist) bei ca. CHF 2.19 CHF pro Liter.
Die bisherigen Ausführungen reduzierten sich auf einen einfachen Sachverhalt. Die Möglichkeiten von Analytica sind - je nach eingesetzter Version - aber nahezu unbeschränkt. Wie im Blog https://www.mcflosim.ch/2019/05/12/von-pippi-langstrumpf-lernen dargestellt, ist das Prinzip der Faltung ein wesentliches Element bei der Modellbildung von unsicheren Ereignissen. Auch wenn Analytica dieses Prinzip nicht direkt unterstützt, so kann dies (hier unser Danke an Torsten Röhner für die freundliche Weitergabe des Modells) ohne grosses Unterfangen repliziert werden.
Auch die Berücksichtigung von Korrelationen (Beziehung zwischen mehreren Variablen) wird in Analytica unterstützt, wenngleich als Standard nur der Rangkorrelationskoeffizient über den Iman-Conover Ansatz vorhanden ist. Der Einbau von Copulas ist - unter Rückgriff auf eigens erstellte Funktionen - somit nur über Umwege möglich.
Durch die visuelle Darstellung der Elemente als Variablen etc. und der Funktionsfülle ist die Darstellung von komplexen Sachverhalten - wie etwa das integrierte Zusammenspiel der Erfolgsrechnung, Bilanz und Cash-Flow Rechnung der Unternehmensplanung - ebenfalls ein Kinderspiel, was anhand der mit Analytica mitgelieferten Beispielprogramme nachvollzogen werden kann.
Fazit: Analytica ist wie Excel ein hervorragendes Tool zur Modellierung quantitativer Entscheidungsprobleme. Während beide Programme risikobasierte Entscheidungen auf Basis von Verteilungsannahmen unterstützen, ist Excel nur mit entsprechenden Add-Ins in der Praxis auch einfach zu handhaben.
Es ist wie bei den Autos: manche schwören auf BMW, andere auf Mercedes oder Tesla und wieder ganz andere auf japanische Fabrikate (wozu wir auch gehören). Über Geschmack lässt sich trefflich streiten; dem Konsumenten - oder hier Modellierer - freut es, dass es Auswahlmöglichkeiten gibt.
Kommentar schreiben